Memoria für Jeanne
Zu dem Buch DUNKELGLIMMER, das Jeanne und ich
zusammen gemacht haben, hat Jeanne ein Bild
beigetragen, das anders ist als die anderen Bilder,
die sie für das Buch gemacht hat.
Kein Berg, keine Wolken, keine Landschaft, sondern – was?
Ein Porträt? Ein Selbstporträt?
Dazu das Wort ICH.
Nicht „Wer bin ich?“ oder „Wo bin ich?“, sondern allein: ICH.
Und: ein FRAGEZEICHEN.
Ich – Du – Er – Sie – Es: Fürwörter, die für etwas stehen, was dahinter ist. Was ist dieses Etwas?
Wer ist der Mensch, der ganz allein ohne Gefährten inmitten der zehntausend Dinge steht?
Wir gehen hinaus, wir kommen hervor; der Himmel ist voller Wolken und voller Krähen. Wir heben den Blick, wir schauen nach oben. Die Krähen schreien, sie rufen uns beim Namen. Sie rufen – was? FRAGEZEICHEN.
Jemand hat gesagt: Die Namen stehen nicht fest, sie sind alle unterwegs. Die Namen der Dinge müssen erst erfunden werden. Die Wege entstehen erst, indem wir sie gehen. Und trotzdem sind sie schon da. ALLES ist schon da. WIR sind schon da und müssen zugleich erst noch hingehen.
Ich schaue nach oben, hinauf zu den Krähen, die den Himmel vermessen; ich erhebe mein Haupt. Ich senke mein Haupt, beuge den Rücken und sehe unten, vor meinen Füßen, unter meinen Schuhen die zehntausend Wege.
Himmel und Erde: Wie sich beides zusammenschließt, auseinandertritt, sich ergänzt, vermählt oder bestreitet; in einem wechselnden Verhältnis, keins ohne das andere, die dunklen und die hellen Farben, wanderndes Licht, Dämmerung, ineinander verschlungen.
Himmel und Erde, die Wolken-Felder und die Feld-Wege und wie eins fürs andere einsteht, wie eins das andere möglich macht: das ist LANDSCHAFT.
Jemand hat gesagt: Die Natur des Himmels ist Bewegung, die Natur der Erde ist die Unbeweglichkeit. Beide haben keine Selbstnatur. Wenn ihr versucht, es zu erhaschen, während es sich bewegt, wird es in der Unbeweglichkeit verharren; wenn ihr versucht, es zu erhaschen, wenn es unbeweglich ist, wird es fortfahren, sich zu bewegen.
Das ist die EIFEL.
Die Eifel ist ein wildes Tier!
Der Verstehende wird erkennen, dass es direkt vor ihm ist.
Und das ist das Narrengold, der DUNKELGLIMMER: Wer ihn zu erhaschen versucht, wer ihn in die Tasche stecken und als festen Besitz mit nach Haus nehmen will, der ist ein Idiot. Wer das weiß, hat verstanden – und versucht es trotzdem immer wieder.
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Meine Memoria, mein Andenken an Jeanne ist kein Porträt, eher eine Art Landschaftsgemälde, ein Panorama in Querformat. Ich sehe uns, sehe die beiden Figuren durch dieses Panorama wandern, durch Berg und Tal, vorbei an Kühen mit Hörnern, den Narren und den Weisen / die Weise; sehe, wie sie im Gelände ihrer Wege gehen, manchmal jeder für sich, manchmal Seite an Seite… Sie sind im Selbstgespräch und im Dialog, oder sie winken einander zu von einem Vulkangipfel zum andern… Die Krähen sitzen oben in den Baumkronen und schütteln ihr schwarzes Gefieder, der graue Wolf und der Eiserne Heinrich schauen zu aus sicherer Entfernung, das rote Kraftrad rollt… Und ab und zu tun sich die beiden Figuren zusammen und arbeiten daran, den Brunnen mit Schnee zu füllen. Dabei lachen sie herzlich und lauthals über einander und über sich selber, sodass keiner mehr sagen kann, wer hier der Narr und wer der Weise / die Weise ist. Der Schatz der Weisheit und das Narrengold: Vielleicht ist ja beides ein- und dasselbe.
Wer ist der Mensch, der ganz allein ohne Gefährten inmitten der zehntausend Dinge steht?
Jean
Schang
Jeanne
Dschien
Dschinn
Yin
Yang
I Ging
I ging
I went
Ich ging
Er Sie Es ging
Wir gingen
Wir treffen uns, wie auch immer wir dann heißen mögen, am törichten Bach, unterm Purzelbaum.
AUSRUFEZEICHEN.